Gaunerinnen - страница 16
Natalja stimmte dem Treffen am gleichen Abend gerne zu. Sie entschuldigte sich bei Saweli, der an Streiche seiner Geliebten schon gewöhnt war, und verabschiedete sich mit einem Winken.
Stella war erfüllt von Lebenskraft und Emotionen. Sie strahlte eine unglaubliche Energie aus, war Flut, Sturm und Hagel gleichzeitig. Ihre Augen funkelten wie Sterne. Sie erzählte Natalja die überaus verlockende Geschichte, wie sie in der Heiratsvermittlungsagentur die Ausländer ausnahm.
Der Kern der Sache bestand darin, dass ein Ausländer, der potenzielle Bräutigam, auf der Suche nach einer Frau auf die Webseite von Stellas Agentur ging. Anschließend schrieb er Briefe zu verschiedenen Themen: Kennenlernen, Treffen, gemeinsame Freizeit, Hochzeit usw. Ein Brief an das von ihm ausgewählte Mädchen kostete zwanzig Dollar.
Die Agentur erhielt die Briefe, übersetzte sie ins Russische oder Ukrainische und leitete sie weiter an die Auserwählte. Das Mädchen konnte in ihrer Muttersprache antworten. Diese Antwort wurde dann übersetzt und an den Auftraggeber, den Bräutigam geschickt. Die meisten Einwohner der Ukraine beherrschten keine Fremdsprache. Dieser Umstand ermöglichte es der Agentur, im Geschäft zu bleiben und Steuern zu zahlen. So konnte schon allein der Briefwechsel mehrere Tausend Dollar Gewinn bringen, bis der Mann die Entscheidung traf, das Mädchen persönlich kennenzulernen und zu diesem Zweck in die ukrainische Hauptstadt kam.
„Was für ein Blödsinn! Du hast ein Büro im Stadtzentrum, am Chreschtschatyk. Kann man mit den Briefen denn so viel Kohle verdienen?“
„Hör nur weiter zu! Fragen kannst du hinterher stellen.“
„Okay.“
Der Kern des Geschäfts beruhte keineswegs auf den Briefen. Mit diesen kamen Blumen und Geschenke für die Mädchen – verschiedene Kosmetiksets und Accessoires aller Art. Diese schönen, teuren Sachen wurden in Geschäften gemietet, nur zu dem Zweck, das Mädchen mit dem Geschenk in der Hand bei einem Luftkuss zu fotografieren, um dem Mann zu bestätigen, was sie sich von seinem Geld gekauft hat. Danach nahm der Verkäufer sämtliche Fotorequisiten zurück und erhielt seine Belohnung.
Die Ausländer überwiesen das Geld auf das Konto der Firma und bekamen glänzende Fotos der glücklichen Schönheiten mit Blumen und Geschenken. Natürlich bedankten sie sich beim jeweiligen Bräutigam mit einem Brief, der auf seine Kosten verschickt wurde. So bekam der Mann seine Portion Komplimente im Stil von: „Oh Gott! Was für ein Mann!“
Aber Natalja überraschten die Storys, die diesen Ausländern in der Ukraine passierten.
Bei ihrem Aufenthalt in Kiew erwarteten sie die unglaublichsten Abenteuer und zahlreiche unvorhergesehene Situationen, die Natalja den Atem verschlugen.
Zum Beispiel erfuhr der Ausländer gleich am Flughafen, dass das Mädchen, dem er das ganze Jahr über Briefe geschrieben hatte und das er nun heiraten wollte, aus einer ehrbaren, kirchentreuen Familie stammte, womit er natürlich nicht gerechnet hatte. Natalja schmunzelte.
„Da müsste ich nichts vortäuschen, ich komme tatsächlich aus so einer Familie.“
„Und gehst anschaffen“, stichelte Stella, die eine scharfe Zunge hatte.
„Und du siehst aus wie eine, die sich ganz ehrbar flachlegen lässt, oder?“
„Mein Rollenfach ist die gewöhnliche Gaunerin, keine Nutte.“
„Ich habe jetzt von dir geredet, nicht von deiner Show.“
„Ich rede ausschließlich von der Arbeit. Ich habe nicht vor, über mein Privatleben sprechen, schon gar nicht mit dir.“