Heute oder nie! - страница 6
DOKTOR: Das heißt, Ihrer Meinung nach, sind diese Prinzipien…
MARINA: Lassen Sie die Prinzipien. Sagen Sie lieber ehrlich, dass ich Ihnen nicht genug gefalle.
DOKTOR: Ich versichere Ihnen, Sie gefallen mir sehr.
MARINA: Wenn eine Frau wirklich gefällt, hofiert man sie und denkt an nichts anderes. Das ist das einzig richtige Prinzip.
DOKTOR: Aber mein Alter…
MARINA: Sie haben ein wunderbares Alter.
DOKTOR: Ich bin viel älter als Sie.
MARINA: Der Mann sollte auch älter sein.
DOKTOR: Werde ich in Ihren Augen nicht lächerlich sein?
MARINA: Lassen Sie diese Gedanken. Sie sind ein Mann in der Blüte seiner Jahre. Wir sehen fast wie Gleichaltrige aus.
DOKTOR: Das heißt, Sie werden bestimmt nicht beleidigt sein, wenn ich Ihnen vorschlage, abends irgendwo zu essen?
MARINA: Ich werde beleidigt sein, wenn Sie mich nicht einladen. Ehrlich gesagt, das hätten Sie viel früher machen sollen.
DOKTOR: Ich weiß, aber es ist schwer, sich schon beim ersten Treffen dazu zu entschließen.
MARINA: Und ab welchem Treffen muss ein Mann handeln, wenn nicht beim ersten? Das zweite kann ja auch nicht stattfinden.
DOKTOR: Aber so spontan, von „Null auf Hundert“…
MARINA: Was heißt hier von „Null auf Hundert“, Doktor? Schildkrötentempo. Und wenn schon „Hundert“, dann doch wie eine Schnecke! Wir sind schon zwei Jahre bekannt, und Sie haben erst heute beschlossen, sich für mich zu interessieren. Und das auch noch sehr undeutlich.
DOKTOR: Zwei Jahre? Sind Sie sicher? Haben wir uns denn früher getroffen?
MARINA: Jetzt erkenne ich Ihr wahres Verhältnis zu mir. Eine Frau, die gefällt, vergisst man nicht.
DOKTOR: Sie gefallen mir sehr, aber… (Verstummt. In seinem Gesicht spiegelt sich offene Verwirrung. Wirkt denn der gedächtniszerstörende Virus wirklich so schnell?)
MARINA: (Sieht sich im Zimmer um.) Und Ihr Kabinett sieht noch imposanter und beeindruckender aus. Gleich zu sehen, dass dies die Praxis eines erfolgreichen vorwärts strebenden Arztes ist.
DOKTOR: (Bestürzt.) Kamen Sie auch früher hier her?
MARINA: Natürlich, und nicht nur einmal. Erinnern Sie sich denn nicht? Diese kleine Bronzestatue, scheint mir, war vorher nicht da.
DOKTOR: Sind Sie sicher, dass Sie früher hier waren?
MARINA: Wie sollte ich denn nicht sicher sein, wenn ich selbst meinen Mann zu Ihnen gebracht habe. Erinnern Sie sich denn nicht?
DOKTOR: Ich? (Unsicher.) Weshalb denn, ich erinnere mich, natürlich. (Träufelt in ein Glas Tropfen aus einem Fläschchen, gießt Wasser dazu und trinkt aus, wobei er sich bemüht, es unbemerkt zu tun.)
MARINA: Übrigens, ich mache mir Sorgen um ihn. Entschuldigen Sie, ich muss kontrollieren, ob er nicht gegangen ist.
(Marina geht hinaus. Der Doktor fühlt seinen Puls. Marina kehrt zurück.)
DOKTOR: Ist er nicht gegangen?
MARINA: Nein. Also, Doktor, ich möchte von Ihnen eine Bescheinigung über den Zustand meines Mannes bekommen, zusammen mit der Krankengeschichte über alle diese Jahre. Ich bemühe mich um eine Invalidenrente für ihn, und das Zeugnis eines kompetenten Arztes kann dabei sehr helfen.
DOKTOR: Hm… Sehen Sie, ich habe mich noch nicht festgelegt, worin seine Krankheit besteht.
MARINA: Wie, zwei Jahre waren dazu nicht ausreichend? Einem so erfahrenen Arzt, wie Sie?
DOKTOR: „Zwei Jahre“? Sagen Sie, und Sie haben zufällig keine Probleme mit dem Gedächtnis?
MARINA: Ich? Natürlich nicht. Woher denn?
DOKTOR: Einige Formen der Sklerose können ansteckend sein.