Heute oder nie! - страница 8
FRAU: (Reicht dem Doktor die Hand.) Ich heiße, wie Sie schon wissen Johanna Glöckner.
DOKTOR: (Verblüfft.) Sehr angenehm.
FRAU: Habe ich Sie nicht gestört?
DOKTOR: Nein, in keiner Weise. Entschuldigen Sie. Setzen Sie sich. (Nimmt Anton zur Seite.) Wer ist diese Frau?
ANTON: Das hab ich doch gesagt, meine Frau.
DOKTOR: Aber Sie haben doch vor kurzem an diesem selben Ort eine andere Frau umarmt und sie auch Ihre Frau genannt!
ANTON: Doktor, Sie haben Halluzinationen. Behandeln Sie sich! Hier war keine Frau.
DOKTOR: Vollkommen durcheinander, nimmt die nächste Dosis Medizin ein. Nachdem er die Gedanken geordnet hat, wendet er sich an Johanna.
DOKTOR: Ich hoffe, Sie sind nicht beleidigt, wenn ich Sie bitte irgendeines Ihrer Dokumente vorzuweisen.
FRAU: Seltsame Bitte. Aber, bitte. Hier ist mein Führerschein. (Reicht ihm das Dokument.) Johanna Glöckner. Zu Ihren Diensten.
DOKTOR: (Sieht sich den Führerschein aufmerksam an und gibt ihn zurück. Verständnislos.) Alles in Ordnung.
JOHANNA: Und Sie haben daran gezweifelt? Ich bitte nicht um Ihre Dokumente, weil ich weiß, wer Sie sind. Es würde natürlich nicht schaden, Ihre Lizenz zu prüfen, aber das ist Sache der Staatsanwaltschaft, und ich bin Anwalt. Hier, übrigens, meine Visitenkarte.
DOKTOR: Was verdanke ich Ihre Visite?
JOHANNA: Mich beunruhigt die Gesundheit meines Mannes.
DOKTOR: Mich auch. Aber ich würde bevorzugen, mit ihnen darüber unter vier Augen zu reden.
JOHANNA: (An den Mann gerichtet.) Lieber, warte ein bisschen auf mich im Wartezimmer, und danach fahren wir zusammen nachhause.
Anton geht gehorsam hinaus.
DOKTOR: Sagen Sie, wissen Sie, dass Ihr… äh… Mann krank ist?
JOHANNA: Wie könnte ich das nicht wissen!
DOKTOR: Und Sie wissen, an was er leidet?
JOHANNA: Er leidet an Gedächtnisverlust.
DOKTOR: Seit wann?
JOHANNA: (Verwundert.) Was heißt „seit wann“?
DOKTOR: Seit wann ist er krank?
JOHANNA: (Verwundert.) Wissen Sie das denn nicht?
DOKTOR: Weshalb sollte ich das wissen?
JOHANNA: Aber Sie behandeln ihn doch schon zwei Jahre, wenn nicht länger!
DOKTOR: Ich? Zwei Jahre??
JOHANNA: Doktor, was ist mit Ihrem Gedächtnis? Wie können Sie einen Kranken behandeln, wenn Sie sich selbst an nichts erinnern?
DOKTOR: Nun gut, mögen es zwei Jahre sein. Erzählen Sie von der Krankheit Ihres Mannes genauer. Haben Sie es schwer mit ihm?
JOHANNA: Welche Frau hat es leicht mit ihrem Mann?
DOKTOR: Vertiefen wir uns nicht in persönliche Probleme, reden wir über die medizinischen. Wie genau drückt sich seine Krankheit aus?
JOHANNA: Er erinnert sich an sehr komplizierte und lange zurückliegende Dinge und vergisst die einfachsten. Er kann sich, zum Beispiel, Kaffe eingießen und vergessen, ihn auszutrinken. Oder zweimal ein und dasselbe Medikament einnehmen.
DOKTOR: Das passiert mir auch.
JOHANNA: Hab´ ich mir schon gedacht.
DOKTOR: Wie halten Sie denn das alles aus?
JOHANNA: Ich bin ein Mensch der Pflicht. Ich mache nicht das, was mir gefällt, sondern das, was ich tun muss. Ich esse nicht das, was mir schmeckt, sondern das, was weniger Kalorien enthält. Ich treffe mich nicht mit denen, die mir sympathisch, sondern mit denen, die mir nützlich sind. Ich lebe nicht mit dem Mann, mit dem ich wollte, sondern mit dem, der mir zufiel. Sich zu beklagen und zu jammern ist zwecklos. Man muss arbeiten, den Gürtel enger schnallen und sein Kreuz tragen.
DOKTOR: Ich bewundere Sie.