Gaunerinnen - страница 4



Seine Frau begrüßte ihn immer mit einem Lächeln und plagte ihn nicht mit Fragen. Maria war ihrem Aussehen nach um die fünfzig Jahre alt. Anders als ihr Mann färbte sie sich die Haare nicht, sondern frisierte ihre klassischen grauen Haare zu einer stolzen, mit Haarlack bedeckten Haube. Ihr Gesicht strahlte Ruhe und Zuversicht aus, sie war überzeugt, dass ihr Ehemann der Beste auf der Welt war, der ihr ein angenehmes Dasein als Hausfrau und Mutter dreier Kinder geschenkt hatte.

Vor dem Schlafengehen schickte Saweli ein paar witzige SMS mit Bildern von tanzenden Waschbären an Natalja und stellte sich vor, wie sie herzlich und laut lacht, dass es im halben Wohnheim zu hören ist. Mit diesen Gedanken schlief er vergnügt ein.

Sie aber hatte zu dieser Zeit gar nicht die Absicht, schlafen zu gehen. Sie hatte ihren Zeitplan endlich erstellt und beschloss, die Rufnummer des Escort-Service zu wählen. Der Hörer wurde von einer Frau abgehoben. Das Mädchen war etwas erstaunt. Nach einer kurzen Pause sagte sie:

„Guten Abend! Ich heiße Natalja. Ich rufe wegen der Arbeit an.“

„Ja, ja“, erwiderte die freundliche Stimme am anderen Ende der Leitung. Das entspannte sie ein bisschen.

Sie erfuhr, dass die Auswahl der Kandidatinnen auf Basis eines Wettbewerbs stattfinde und die Firma reiche Kunden habe. Ihre Finger drückten den Hörer immer fester, aufmerksam hörte sie jedes Wort. Es gebe vielfältige Kunden und mehrere von ihnen seien Ausländer. Englischkenntnisse seien erforderlich.

„Englischkenntnisse sind vorhanden“, antwortete Nata sicher. Das Basisniveau hatte sie ja schon.

„Sehr gut. Warten Sie auf unseren Rückruf.“

In Kiew herrschte Frost, trotzdem war das Wetter mehr widerlich als kalt. Kein Schnee, aber viel Eis auf dem trockenen, schmutzigen Asphalt. Bei solchem Wetter wollte man nur warme Socken anziehen und die Serie „Santa Barbara“ bis zum Ende anschauen, ohne einen Fuß vor die Tür zu setzen. Natalja hatte keine Lust, das Wohnheim zu verlassen, dazu noch in ihrer kurzen Daunenjacke, in der sie bis in die Knochen fror. Deshalb kniete sie sich ins ihr Studium. Es gab viel zu lernen und das Mädchen schaffte es nicht, alles rechtzeitig zu erledigen. Sie fragte einen Kommilitonen, der abends in der Bar arbeitete, warum bei ihm alles so rechtzeitig klappte, und fand heraus, dass viele Studenten Amphetamin nahmen. Das half ihnen, sich tagelang aufs Lernen zu konzentrieren, und vor allem beim schnellen Lesen. Erfreut beschloss sie, dieses Wundermittel auszuprobieren. Natalja hatte noch nie zuvor Drogen konsumiert, das war ihr erstes Mal. Es gefiel ihr sehr gut! In diesem Zustand verschwindet der Appetit, der Mensch denkt, liest und läuft viel schneller. Sie entwickelte ein neues Lebenstempo. Parallel zum Studium schrieb sie jeden Tag hundert neue englische Wörter aus dem Wörterbuch heraus und bemühte sich, sie alle im Gedächtnis zu behalten.

Endlich erhielt sie den lang ersehnten Anruf. Ein Mann rief sie an, sie vereinbarten ein Treffen.

Natalja zog ein grellgrünes Kleid aus feinem Stoff an, ähnlich dem, aus welchem Leggins hergestellt. Das Kleid hatte einen Rückenausschnitt bis zur Taille und war für kleines Geld in einer Marktschneiderei genäht worden. Einige Minuten zweifelte sie: „Das Kleid passt eindeutig nicht zu dieser Jahreszeit, dafür ist es sehr sexy und grell. Nein, es ist genau das, was ich brauche!“