Die Enkel des Kolumbus - страница 8



Eines schönen Tages bekamen wir jedoch einen Brief vom Landwirtschaftsministerium in Kabul, worin uns knapp mitgeteilt wurde, dass alle Aufforstungen die das Projekt durchführt dem Landwirtschaftsministerium unterstehen. Erlöse aus dem Verkauf des Holzes gehen als Einnahme an das Finanzministerium… .


Das war für das Forstprojekt ein Schlag ins Gesicht, weil in Absprache mit der PDA in allen unseren Verträgen für die Holznutzung und die Einnahmen aus Holzverkauf die Dorfgemeinschaft zuständig war.

Ich dachte ich kann mich nun sicher nicht mehr ins Projektgebiet trauen. Wenn die Paschtunen das erfahren denken sie vielleicht wir seien wortbrüchig und wir hätten sie getäuscht, hintergangen, doppeltes Spiel gemacht mit dem Landwirtschaftsministerium. Nach den ungeschriebenen Regeln der Paschtunen (das Paschtunwali) hätte das bedeuten können, das sie das Projekt nicht mehr akzeptieren und uns das Gastrecht entziehen, wenn nicht noch schlimmeres. Ich besprach das Problem mit meinem Counterpart, Herrn Navor Shah. „Was nun?“ Das war meine bange Frage.


Nun, Herr Navor Shah sah das schon gelassener. Er meinte: keine Angst. Wir fahren in die Dörfer, wir reden mit ihnen. Es wird nichts passieren.

Die erste Dorfversammlung begann, wir zogen den Brief des Landwirtschaftsministeriums heraus und Herr Navor Shah teilte den Dorfältesten mit, dass der vom Projekt mit ihnen abgeschlossenen Aufforstungsvertrag vom Landwirtschaftsministerium ignoriert wird. Der Wald gehöre nicht ihnen, sondern dem Landwirtschaftsministerium. Ein langes Schweigen folgte. Wir schauten uns gegenseitig an. Dann sprach der Chan. Navor Shah übersetzte mir Satz für Satz.

“Hört mir gut zu”, sagte er. “Was bedeutet für uns der Vertrag? Er bedeutet uns nichts. Das ist ein Stück Papier, sonst nichts. Aber wir haben versprochen die Pflanzungen zu schützen. Die Zedern und Kiefern die dort wachsen sind uns. Unsere Kinder und Kindeskinder werden die Bäume für sich nutzen, das gute Holz verkaufen, die Äste und das schlechte Holz als Brennholz nutzen. Dazu fragen wir nicht das Landwirtschaftsministerium. Die Leute die diesen Brief geschrieben haben sind längst gestorben, wenn die Bäume 70 oder 80 Jahre alt sind. Aber unser Dorf wird existieren. Und die Bäume werden existieren, weil wir sie schützen werden.

Wir wissen, dass das Projekt mit uns ist. Wir wissen, das sie nichts mit dem Brief des Landwirtschaftsministeriums zu tun haben.

Was werden wir also tun? Wir wissen von diesem Brief, und das ist alles. Wir werden nichts weiter tun als das was wir beschlossen haben”.


In diesem Moment wurde ich ein Paschtune!


Das Projekt führte Forstwirtschaft auf breiter Ebene ein. Es hatte folgende Komponenten:

– eine Forstschule, zur Ausbildung von Waldarbeitern und Forstfachleuten;

– ein Pflanzennachzuchtprogramm, zur Produktion von Jungpflanzen für die ausgedehnten Aufforstungen;

– eine Forsteinrichtungseinheit, um die vorhandenen Wälder auf ihre Vorräte hin zu erfassen;

– eine Betriebsdienstkomponente: Einrichtung eines Musterforstbetriebes im Waldgebiet “Mandaher”;

– Aufbau eines Sägewerkes, um durch die Vermarktung verkaufsfertiger Holzsortimente Einnahmegewinne zu erzielen;

– Aufbau einer Zentralwerkstatt;


All das war vollkommen neu in Paktia. Nach cirka 5 Jahren waren die vorstehenden Komponenten zufriedenstellend installiert und wurden von qualifizierten afghanischen Fachkräften geleitet. In diese Zeit fiel ein Projektbesuch von seiner Majestät, König Sahir Shah.